Byung-Chul Han, Undinge
Buchbesprechung
Der Einstieg
Unsere Art der Kommunikation und Information bringt Dinge zum Verschwinden, weil sich Informationen davorschieben, so der Autor, der Philosophie, deutsche Literatur und katholische Theologie studiert hat. Während wir uns anhand von Dingen, auch den unscheinbaren, erinnern und uns dadurch eine Verortung geben können, sind Informationen Un-Dinge, deren Überraschungsimpuls flüchtig ist und bald verblasst, worauf wir nach neuen Informations-Überraschungen verlangen.
Freiheit oder Zwang?
Die Freiheit, überall und immer auf Informationen zugreifen, sie speichern, filtern, verknüpfen und durch Weiterleitung vervielfältigen zu können, lässt uns glauben (und Informationstechnologie-Unternehmen befördern das), wir seien frei in der Wahl und Nutzung von Informationsbausteinen. Allerdings werden wir mit jeder Nutzung weiter in eine Un-Freiheit hineingezogen.
Während Dinge vorhanden sind und in diesem Vorhandensein Kontinuität mitbringen, können gerade noch neue Informationen, selbst wenn wir sie in der Cloud abgelegt haben, im nächsten Moment völlig obsolet und wertlos sein. Diese Un-Zuverlässigkeit zwingt uns quasi, uns immer wieder um Informationsupdates zu kümmern. Wir „haben“ die Informationen nicht, haben nichts in der Hand, dessen wir uns sicher sein könnten.
Gleichzeitig bekommen wir durch jede Spur, die wir im Informationsraum hinterlassen, für die nächste Suche eine noch besser abgestimmte Vorsortierung. Je smarter und einfacher daher die Informationsbeschaffung wird, desto enger zieht sich der abgesteckte Raum um uns zusammen. Ob wir noch handeln können, wenn die Hand nichts mehr in der Hand hat?
Indikatoren des Wandels
Wenn bei „Bares für Rares“ sehr persönliche Erinnerungsstücke versilbert werden, wenn Besitzdenken dem Erlebnisdenken weicht, um nur zwei Beispiele zu nennen, zeigt das aus Sicht des Autors den Paradigmenwechsel. Er argumentiert mit Jeremy Rifkin, dass dieser Wechsel neben der gewandelten Vorstellung von Wirtschaft auch einen nachhaltig veränderten Menschen hervorbringen wird, der im Informationskapitalismus zuhause ist.
Für den Handel bedeutet das, sich auf anderes als auf Wachstumsziele zu verlassen. Streben wir weiterhin nach Wachstumszielen, rennen wir immer den Entwicklungen hinterher. Global Player sind längst dort, wo wir gerne wären, nämlich im Bewusstsein unserer Kundinnen und Kunden. Das mag fatalistisch klingen, ist es aber nicht. Byung-Chul Han führt gegen Ende seines Buches die Daguerreotypie als Beispiel an. Mit sehr langer Belichtungszeit verschwinden bewegte Objekte. Nur was stillsteht, wird sichtbar.
Sichtbar sein und sich auch wandeln
Der philosophische Text nähert sich dem gegenwärtigen Wandel von einer Seite, die im Einzelhandel nicht im üblichen Wahrnehmungskanon der Best-Practices auftaucht. In unvergleichlichen Zeiten könnte es jedoch helfen, Unvergleichliches nebeneinander zu stellen, um das eigene Unternehmen in diesem Spannungsfeld zu positionieren. Was ist der Kern, worin erdet sich das Unternehmen? Und wo sind die Veränderungen, die man für sich nutzen kann? „Bewege dich nicht, wenn du keinen Vorteil siehst.“ (Sun Tsu, Die Kunst des Krieges)
Ihre Gudula Buzmann
Byung-Chul Han, Undinge
Umbrüche der Lebenswelt
Ullstein Buchverlage
Gebunden
ISBN 978-3-550-20125-7