Frank Berzbach, Form Bewusst Sein
Buchbesprechung
„Wenn du es eilig hast, gehe langsam.“ empfahl Lothar M. Seiwert schon vor Jahren. Frank Berzbach bleibt sogar stehen und nimmt sich die Zeit, den Alltag zu betrachten. Damit liefert er uns ein Gegengift zum verbreiteten Gefühl, nie genug getan zu haben oder sowieso nichts machen zu können.
Alltag als Formgeber
Die Beliebigkeit schleicht sich hintenrum an. Essen, wann gerade Zeit ist, Getränke to-go und im Jogging-Anzug im Homeoffice. Nebenbei noch mal eben die sozialen Medien gecheckt. Wieder 15 Minuten vorbei. Frank Berzbach jedoch schildert zu Beginn seines Buches den Tag in einem Zen-Dojo. Dort liefert ein strenger Ablauf (Zitat: „gewöhnungsbedürftig“), nachdem man ihn durch stete Wiederholung automatisiert hat, den Rahmen und ermöglicht ein offeneres, beweglicheres Bewusstsein in der Meditation. Berzbach zieht anschließend Verbindungen zu unseren alltäglichen Verrichtungen: Nahrungsauswahl, tätige Liebe, Mediennutzung, Fragen der Kleidung und des Besitzens.
Bewussteres Da-Sein und Reflektion führen vermutlich in allen Bereichen dazu, dass man Gewohnheiten identifiziert, nach denen man sich gerade nicht besser fühlt. Routine, die eigentlich das Leben leichter machen soll, macht es im unguten, gedankenlosen Fall weniger schön, weniger nachhaltig (auch für sich selbst), weniger glücklich, beliebiger. Wenn unser Alltag aber nicht mehr vollgestopft ist mit Beliebigkeiten, haben wir am Ende eines Tages eher ein zufridenes Gefühl. Wir wissen, wir haben genug für heute getan.
Wertschätzung sich selbst und anderen gegenüber
„Für mich allein lohnt sich das Kochen nicht." höre ich gar nicht selten von Alleinlebenden jeden Alters. Doch, es lohnt sich. Es mag sich komisch anfühlen, für eine Person ein Menü zuzubereiten, und vielleicht vertut man sich am Anfang mit den Mengen. Es mag ungewohnt sein, sich nach dem Kochen umzuziehen, als ginge man zum Essen in ein Restaurant. Beides kann aber Ausdruck einer Selbst-Liebe sein, die auch auf andere ausstrahlt.
Auf der anderen Seite: Wer zeitweise auf etwas verzichtet, kann erfahren, was er oder sie wirklich schätzt. Automatismen werden damit ausgehebelt und man bekommt die Chance, bewusster über das eigene Verhalten, den eigenen Konsum, die Gegenstände in der Wohnung nachzudenken.
Was Schuhe damit zu tun haben
Im Vorwort schreibt die Verlegerin Karin Schmidt-Friderichs, zum „Shabby Chic der Seventies“ hätten ungepflegte Schuhe gehört. Der Verleger Bertram Schmidt-Friderichs hingegen habe die Vernachlässigung als „intellektuelle Überheblichkeit“ bezeichnet. Später habe sie selbst in herausforderndem Gelände den Wert guter und gepflegter Schuhe direkt erfahren.
Wenn Sie also das nächste Mal etwas tun, denken Sie einen Moment darüber nach, wie ein äußerer Rahmen innerlich bereichernd wirken könnte. Und nehmen Sie das gute Geschirr für Ihren Kaffee, das beste Hemd im Homeoffice, den gravierten Kugelschreiber von vor 20 Jahren anstelle des Werbekulis. Nehmen Sie, was Sie brauchen – aber nicht mehr.
Ihre Gudula Buzmann
Frank Berzbach, Formbewusstsein.
Eine kleine Vernetzung der alltäglichen Dinge
Broschur
Verlag Hermann Schmidt
ISBN 978-3-87439-872-5